,,EMOTION JOURNEY” von Bill Barlow
- CARL

- 1. Juli
- 2 Min. Lesezeit

Bill Barlows „Emotion Journey“ ist ein Album, das sich ohne Vorwarnung unter die Haut schiebt. Schon mit den ersten zarten Tönen von „Smooth As Glass“ wird man in eine private Welt hineingeführt, in der Bedauern und Zärtlichkeit einander die Hand reichen. Es liegt eine filmische Stille in diesem Arrangement – Klavierakkorde treiben wie tiefe Wolken, während die Streicher mit verhaltener Sehnsucht summen. Barlows Stimme drängt sich nicht auf, sondern vertraut sich an, irgendwo zwischen gesprochener Intimität und klangvollem Schmerz. Wenn er wiederholt: „I want to escape from you“, klingt das weniger nach einer Bitte als nach dem Eingeständnis, dass manche Geister nicht gehen wollen und man es vielleicht gar nicht möchte. Einige Songs später schlägt die Stimmung plötzlich um. „Loving Success“ tänzelt herein mit einem verschmitzten Grinsen und wischt die Melancholie beiseite, ohne die Bitternis ganz zu verlieren. Barlows Vortrag wirkt hier lässig und abgeklärt, als hätte er sich damit abgefunden, dass manche Beziehungen mehr zum Schmunzeln taugen als zum Bleiben.
Unter klirrenden Gitarren und einem sonnendurchfluteten Groove wird seine Selbstironie zu einer fast tröstlichen Hymne für alle, die schon mal zusehen mussten, wie etwas Gutes leise davonglitt. Ein Beweis dafür, dass Herzschmerz manchmal auch ein Augenzwinkern verdient. Der Abschluss „I Never Asked You To Love Me“ sorgt dafür, dass man dieses Album nicht unerschüttert verlässt. Er platzt herein wie eine Ohrfeige scharfzüngig, trotzig und voll verletztem Stolz. Barlow spuckt Zeilen aus, die grausam wirken könnten, wären sie nicht so eindeutig ein Schutzschild. Der schelmische Rhythmus aus Bass und Schlagzeug stachelt ihn an wie Freunde, die aus der Bar heraus anfeuern. Doch zwischen den giftigen Sticheleien sickert leise eine andere Wahrheit durch:

Die große Klappe ist ein Panzer, die Spitzen ein Pflaster für alte Wunden. Er will kein Opfer sein, kennt die Narben aber gut. Was „Emotion Journey“ von einem gewöhnlichen Trennungsalbum unterscheidet, ist seine Weigerung, sich auf eine Stimmung festzulegen. Barlows Songwriting wirkt wie aus einem Tagebuch herausgerissen, das jemand in einem Café offen liegen gelassen hat ungeschützt und doch kunstvoll formuliert. Die Produktion organisch, aber klar, opulent, aber atmend rahmt jeden Song wie eine Postkarte von derselben Reise. Selbst wenn er von Zärtlichkeit zu Ironie oder Zynismus wechselt, spürt man den roten Faden: das ruhelose Pochen eines Herzens, das zu viel fühlt und daraus brutale Schönheit spinnt.
Wenn die letzten Akkorde verklingen, lässt „Emotion Journey“ einen eigenartig schwerelos zurück – als hätte man gerade einen Koffer voller alter Liebesbriefe ausgepackt, nur um ihn danach wieder im Schrank zu verstauen. Barlow liefert keine sauberen Abschlüsse oder klaren Abschiede. Stattdessen drückt er einem diese Songs wie Polaroids in die Hand: ein bisschen unordentlich, ein bisschen roh, radikal lebensnah. Es ist die Art Platte, die man nachts allein hört – nicht um Antworten zu finden, sondern um den seltenen Trost zu spüren, dass das eigene widersprüchliche Herz vollkommen unvollkommen ist.
SCHRIFTSTELLER: Carl





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