„GOD OF THE DEAD” von Rosetta West
- CARL

- 31. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Aug.

Aus dem geisterhaften Dunst von Chicagos sich ständig wandelnder Underground-Szene hervorgehend, wirkt „God of the Dead” von Rosetta West weniger wie ein Album und mehr wie eine auf Tonband gebannte Séance. Im Kern steckt ein Geist furchtloser Experimentierfreude: Blues-Rock wird dekonstruiert und durch das zerbrochene Prisma von Post-Punk, Folk-Noir und geisterhaftem Psychedelic neu zusammengesetzt. Frontmann Joseph Demagore führt nicht nur er beschwört. Seine Stimme ist eine Beschwörung, die die stilistischen Sprünge des Albums zusammenhält, ohne je den inneren Schwerpunkt zu verlieren. Jeder Song wird nicht einfach gehört er wird bewohnt. Die Klangpalette des Albums entfaltet sich wie ein Mythos, neu erzählt mit Verzerrungspedalen und schmerzenden Klaviertasten. „Boneyard Blues“ reißt die Tore mit sumpfigen Riffs auf, während das Schlagzeug wie ein Leichenzug tanzt, der sich in ein rituelles Fest verwandelt. Caden Cratchs Schlagzeugspiel ist hier nicht nur Rhythmus es ist ein Signalfeuer.
Dann folgt „Underground“, ein staubiges Juwel, das die gotischen Sensibilitäten von Rosetta West in einen sepiafarbenen Americana-Schleier hüllt. Slide-Gitarren wimmern und seufzen, während die Rhythmusgruppe langsam atmet und dem Track erlaubt, wie Hitze über Asphalt im Abendlicht zu flimmern. Ganz ohne Schnörkel hebt „I Don’t Care“ die emotionale Vielschichtigkeit des Albums hervor. Leise, aber nicht zerbrechlich eine akustische Meditation, die Demagores Stimme Raum gibt, sich vollständig zu entfalten. In seinem Gesang liegt eine Müdigkeit, aber keine Niederlage vielmehr die Stimme von jemandem, der etwas Unsichtbares überlebt hat und nun die Geschichte am Feuer erzählt, das sonst niemand entfacht hätte. Diese intime Spannung spiegelt sich in „Town of Tomorrow“ wider, einem Stück, das am Rand der Melancholie tanzt, getragen von flirrenden Gitarren und einem Takt, der wie eine herunterlaufende Uhr tickt.

Die größte Bandbreite zeigt sich in „Dead of Night“, wo Rosetta West die lauten Ränder zugunsten einer geisterhaften Eleganz hinter sich lassen. Zarte Pianolinien schweben wie Flüstern im Nebel und umhüllen Demagores sanftes Murmeln. Es ist nicht traurig – es ist ehrfürchtig, wie ein Hymnus auf etwas längst Verlorenes. Hier sind Rosetta West am entwaffnendsten und zeigen, dass unter dem Lärm und Schmutz ein Reservoir stiller Schönheit liegt. Mit „Midnight“ endet „God of the Dead” nicht mit einer Auflösung, sondern mit einem schimmernden Fragezeichen. Raumgreifende Gitarren und luftige Klangtexturen formen einen Song, der mit progressiven und psychedelischen Elementen spielt, sich langsam aufbaut und in einem kaleidoskopischen Crescendo gipfelt.
Der Song hat etwas Filmisches, als würden die Abspannbuchstaben über einen Film laufen, der mehr verschweigt als enthüllt. Die Band verabschiedet sich nicht sie verschwindet, lässt Rauch zurück und ein Echo, das zum erneuten Hören zwingt. „God of the Dead” ist letztlich ein kühnes, oft bezauberndes Werk, das sich jeder Kategorisierung entzieht. Es ist ein Mosaik aus Stimmungen und Texturen, ständig im Wandel und doch durch die konsequente Vision der Band geerdet. Rosetta West sind nicht einfach zurück – sie haben ihr eigenes Mythos erweitert. In einer Welt, in der Musik oft schnell in Schubladen gesteckt wird, verlangt „God of the Dead”, gefühlt zu werden.
SCHRIFTSTELLER: Carl





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