„LONDON BOY" von CRYME
- CARL

- vor 9 Stunden
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SEVENs einjähriges Jubiläum wird mit einem kraftvollen Paukenschlag gefeiert und nichts spiegelt die Entwicklung des Labels besser wider als diese fünfteilige Neuerfindung von CRYMEs „London Boy“. Was 2024 als scharfkantige Clubwaffe begann, wird hier zu einem Kaleidoskop elektronischer Identitäten, in dem jeder Remix seine eigene Form aus dem ursprünglichen Rohbau schnitzt. Das Projekt wirkt nicht wie eine bloße Sammlung es fühlt sich an wie ein Dialog zwischen Szenen, Epochen und Klangphilosophien, eingefasst von SEVENs mutigem Bekenntnis zu künstlerischer Vielfalt. MCR-T eröffnet mit einem Remix, der wie eine entfesselte Maschine wirkt, die auf Maximalspannung läuft. Seine Version stürzt voran auf einem mutierten, tief grollenden Bass, der unter einem rauen, vorwärtsdrängenden Rhythmus knurrt und den Track in eine schweißgetränkte Warehouse-Ästhetik katapultiert. Jeder Klang trifft mit rutschiger Dringlichkeit, als wäre der Track für Tänzer gebaut, die niemals stillstehen.
Die vertrauten Vocal-Stabs sprühen wie Funken eines kreischenden Metallblatts und verleihen dem Stück eine kantige, ungezähmte Persönlichkeit. Roza Terenzi antwortet mit etwas völlig anderem elegant, flink und subtil psychedelisch. Ihre Version fühlt sich an wie ein Zug durch einen neonbeleuchteten Korridor, in dem jede perkussive Bewegung zwischen gespiegelten Wänden zurückspringt. Synthesizer gleiten wie verchromte Bögen und weben eine melodische Linie, die sich spielerisch um die gehackten Vocalfragmente windet. Sie bewahrt den Puls des Originals, verwandelt ihn jedoch in eine leichte, futuristische Reise gleichermaßen hypnotisch wie schelmisch. JakoJako erdet die EP mit einer Interpretation, die ganz auf Groove und Klarheit setzt. Hier fühlt sich der Track wie ein ruhiger Herzschlag unter einem Wirbel modularer Texturen an, bei dem jeder Klang präzise an seinen Platz gesetzt wird. Die Drums schreiten mit selbstbewusster Zurückhaltung voran und lassen genug Raum für verspielte Synth-Schnipsel, die immer wieder auftauchen.

Es ist ein Remix, der von Geduld und Genauigkeit lebt einer, der Zuhörer tiefer hineinzieht, anstatt sie mit Wucht voranzutreiben. Stef de Haan beschließt die digitale Ausgabe mit einem cineastischen Glanzmoment, der „London Boy“ in eine warme, atmosphärische Miniatur verwandelt, gefüllt mit strahlenden Akkorden und schimmernder Percussion. Die Stimmung entfaltet sich langsam, wie Nebel, der sich hebt und den Sonnenaufgang freigibt, begleitet von umgekehrten Klangbewegungen und zarten Pianolinien, die das Ohr näher heranholen. Wenn das einzelne Vocal im Finale erscheint, wirkt es weniger wie ein Hook und mehr wie eine Signatur in einem Gemälde. Zusammen mit der remasterten Originalversion steht diese Jubiläumsveröffentlichung als lebendiger Beweis dafür, wie ein Track sich in fünf eigenständige Welten aufspalten kann jede mit ihrem eigenen Puls, jede unverwechselbar lebendig.
SCHRIFTSTELLER: Carl





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