„LOVE.EXE“ von Glitch Amour
- CARL

- 11. Sept.
- 3 Min. Lesezeit

Glitch Amours Debüt „Love.exe“ ist kein Album, das darum bittet, gehört zu werden es verlangt danach, gefühlt zu werden. Vom allerersten Puls an wirft es die Hörer:innen in eine neonbeleuchtete Welt, in der Zerbrechlichkeit auf Verzerrung trifft und Intimität die Form beschädigter Dateien annimmt. Das Pariser Duo, angeführt von Savannah, hat einen Sound geschaffen, der in Paradoxien existiert: zu gleichen Teilen Chaos und Klarheit, digitale Verzerrung und zarte Verletzlichkeit. Was sie erschaffen haben, ist nicht nur Musik, sondern ein sinnliches Erlebnis, das die Grenze zwischen Herzschmerz und Datenverlust, Zuneigung und Fehlermeldungen verwischt. Es ist ein Album, das so lebendig wie instabil wirkt ein Beweis dafür, dass die Liebe selbst dann anhält, wenn sie durch Rauschen gefiltert wird. „Je t’aime.corrupted“ ist das Herz dieses Konzepts. Mit cineastischen Synth-Wellen, die wie zerbrochenes Glas schimmern, zieht der Song die Hörer:innen sofort in sein glitchiges Chaos. Die Vocals erscheinen in schimmernden Effekten, menschlich und doch unverkennbar verfremdet, als würde ein Gefühl versuchen, den Grenzen einer fehlerhaften Maschine zu entkommen.
Es ist schnell, drängend und hypnotisch, angetrieben von einer unnachgiebigen Basslinie und durchbrochen von Funken-artigen Glitches, die unvorhersehbar durch die Klanglandschaft blitzen. In seinen Melodien steckt Süße, doch diese Süße ist gebrochen – und zwingt dich, die Unvollkommenheit als Teil der Schönheit zu akzeptieren. Es ist ebenso sehr ein Liebeslied wie ein digitales Tagebuch dessen, wie Liebe klingt, wenn sie mitten im Download abstürzt. Im Gegensatz dazu verwandelt „404: Emotions Not Found“ Abwesenheit in ein eigenes ästhetisches Prinzip. Der Song beginnt mit Knistern, das nach Systemfehler klingt, bevor er in einen Rhythmus übergeht, der zugleich unerbittlich und fragil wirkt. Die Vocals, robotisch und angespannt, klingen wie etwas Menschliches, das versucht, sich aus digitaler Gefangenschaft zu befreien. Kristallklare Synth-Layer tanzen über einem basslastigen Fundament, während metallische Percussion-Elemente wie Störgeräusche eines fehlerhaften Signals aufflackern. Es ist eingängig, ansteckend, sogar tanzbar doch unter der Euphorie liegt eine schmerzliche Leere, eine Sehnsucht, die aus der Übersetzung verlorener Liebe geboren wird. Diese Spannung zwischen mitreißendem Groove und zerbrechlicher Botschaft macht den Track zu einem der verstörendsten und zugleich faszinierendsten des Albums.

Dann kommt „Glitch Kiss“, die klangliche Verkörperung unterbrochener Intimität. Verspielt und romantisch, aber zugleich scharf und unvorhersehbar, flackert der Song mit Synths, die wie Funken fehlerhafter Schaltkreise sprühen. Jeder Schlag fühlt sich wie ein Adrenalinstoß an, ein kurzer gestohlener Moment, bevor das Signal bricht. Die Vocals sind geschichtet und verdreht, zugleich robotisch und verletzlich, und verkörpern die chaotische Unvollkommenheit von Liebe, die zwischen Klarheit und Störung gefangen ist. Bemerkenswert ist, wie hier Verzerrung in Leidenschaft verwandelt wird wo jeder digitale Bruch nur die emotionale Resonanz verstärkt. Am Ende bleibt man elektrisiert zurück, als hätte man selbst einen Kuss aus reinem Rauschen empfangen.„Softboy.exe“ verschiebt die Stimmung hin zu zarter Ehrlichkeit, eingebettet in rastlose Beats. Sanfte, glitzernde Synth-Flächen eröffnen den Song, nur um sofort von glitchigen Störungen unterbrochen zu werden. Der Groove setzt mit scharfen, schnellen Beats ein und treibt unermüdlich voran, während die Vocals zart und doch digital verfremdet bleiben.
Es ist ein Song, der im Widerspruch lebt: Verletzlichkeit inmitten von Chaos. Wo andere Stücke auf Rebellion setzen, fühlt sich „Softboy.exe“ wie ein Geständnis an wie ein Tagebucheintrag, den das Rauschen offenlegt. Glitch Amour erinnern uns daran, dass selbst Sanftheit beschädigt werden kann, aber nie vollständig verschwindet. Als Ganzes betrachtet ist „Love.exe“ mehr als nur ein Hyperpop-Debüt es ist eine digitale Mythologie darüber, was es bedeutet, im modernen Zeitalter zu fühlen. Die Songs sind nicht bloß elektronische Experimente, sondern emotionale Fallstudien in Glitch und Glanz. Glitch Amour schaffen es, Widersprüche zusammenzuhalten, die sonst zerfallen würden: Freude und Verzweiflung, Intimität und Verzerrung, Klarheit und Chaos. Das Ergebnis ist ein Album, das lange nachhallt, nachdem die letzten Töne verklungen sind eines, das immer wieder neu erlebt werden will. Für alle, die im fragmentierten Lärm digitaler Intimität leben, liefert „Love.exe“ nicht nur einen Soundtrack, sondern eine Definition.
SCHRIFTSTELLER: Carl





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