„THE BLOOM PROJECT“ von Adai Song
- CARL

- 30. Okt.
- 3 Min. Lesezeit

Adai Song, die unter ihrem Künstlernamen ADÀI bekannt ist, trotzt allen Konventionen mit „The Bloom Project“, einem Album, das Epochen und Genres übersteigt. Die zwischen Peking und New York lebende Produzentin, Performerin und Dozentin am Berklee College of Music erschafft ein Werk, das sowohl intellektuelle Tiefe als auch emotionale Energie ausstrahlt. Hier wird die Vergangenheit nicht ausgestellt, sondern zum Leben erweckt sie tanzt, atmet und spricht neu. Adai interpretiert die Klangwelten des frühen 20. Jahrhunderts Chinas durch das Prisma moderner elektronischer Musik neu und erschafft so einen Dialog zwischen dem, was einst verstummte, und dem, was heute laut und selbstbewusst über globale Bühnen hallt. Im Zentrum des Albums steht Adais feministische Wiederbelebung des Shidaiqu, jener legendären Verbindung aus chinesischer Volksmusik und westlichem Jazz, die einst den Glanz des Shanghai der 1930er Jahre prägte. Wo diese Musik einst von Eleganz und Sehnsucht erzählte, haucht Adai ihr eine rebellische Kraft ein. Sie verwandelt geflüsterte Melodien, die früher in Teehäusern erklangen, in leuchtende Hymnen, die unter Neonlichtern strahlen.
Das Album wird zu einem Akt der Rückeroberung Stimmen von Frauen, die einst von Anstand gezügelt wurden, erheben sich nun frei in Basslinien und synthetischen Crescendi, wild und selbstbestimmt. Jeder der acht Songs wirkt wie ein Gespräch über Zeitzonen und Jahrhunderte hinweg. Adai stellt Tradition und Technologie nicht einfach nebeneinander sie lässt sie aufeinanderprallen. Die gezupfte Anmut der Guzheng trifft auf das Grollen einer 808, die weinende Erhu löst sich in schimmernde Synthesizer auf, und das Crooning alter Shanghai-Sängerinnen gleitet mühelos in futuristische Klangwelten. Ihre Produktion ist detailverliebt und furchtlos ein Beweis dafür, dass kulturelles Erbe sich weiterentwickeln kann, ohne seine Identität zu verlieren. In Adais Händen wird Nostalgie nicht zur Starre, sondern zum Antrieb. „Night Shanghai“ erweckt die nächtliche Mystik des alten Shanghai mit glitzernden Synths und schimmernden Guzheng-Linien, die wie Regen auf spiegelndem Asphalt tanzen.

„Make Way“, eine Neuinterpretation des Klassikers Rose, Rose, I Love You aus den 1940er Jahren, verwandelt romantische Verletzlichkeit in Widerstand, getragen von der Zeile: „Meine Dornen sind keine Zierde sie halten meinen Stolz aufrecht.“ Dann folgt „Carmen 2025“, eine filmische Explosion, in der Bizets Operndrama mit Techno-Energie und Tempel-Percussion verschmilzt klassische Motive werden zu feministischen Kampfrufen. „Wild Thorny Molihua“, Adais kühne Neuauflage des Volkslieds Jasmine Flower, verwandelt Zartheit in Stärke sanfte Blüten, die unzerbrechliche Wurzeln verbergen. Über ihre klangliche Brillanz hinaus trägt „The Bloom Project“ auch eine tiefe emotionale und kulturelle Bedeutung. Es ist eine Reflexion über Identität, Zugehörigkeit und Wandlung darüber, was es bedeutet, chinesisch, weiblich und global zugleich zu sein, in einer Welt, die oft Anpassung verlangt. Adai remixt die Vergangenheit nicht einfach sie gibt den vergessenen Heldinnen ihre Macht zurück, verwandelt stilles Durchhaltevermögen in laute Unabhängigkeit.
Dies ist Geschichte, neu erzählt nicht von Historikern, sondern von Beats, Poesie und Herzschlag. Mit der Unterstützung der Grammy-prämierten Toningenieure Zach Cooper und Ian Kimmel sowie dem Mastering von Berklees Rachel Alina erhält das Album eine klangliche Präzision, die niemals ihre Menschlichkeit verliert. Die Produktion atmet jede Textur fühlt sich greifbar an, jede Stille ist bewusst gesetzt. Als Grammy®-Kandidat für das Beste Globale Musikalbum steht „The Bloom Project“ als Triumph von Vorstellungskraft und Authentizität. Es ist eine kulturelle Wiedergeburt, eine leuchtende Symphonie, in der alte Melodien ihre Zukunft im modernen Klang finden. Adai Song erschafft nicht einfach Musik sie lässt Erinnerung sich bewegen. In ihren Händen verblüht nichts es elektrisiert, verwandelt sich und erblüht aufs Neue.
SCHRIFTSTELLER: Carl





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