,,LOOMING SEASONS” von Barják András
- CARL

- 1. Juli
- 2 Min. Lesezeit

,,Looming Seasons”, das erste vollständige Album des in Stockholm lebenden András Barják, kommt wie ein frischer Windstoß, der durch die abgestandenen Flure vorhersehbarer Indie-Pop-Schemata fegt. Schon mit den ersten Tönen tritt Barjáks ruheloser Geist und seine vielseitige Herangehensweise an Klang in den Vordergrund. Das Album fühlt sich an wie eine Wanderung durch einen uralten Wald – jeder Song eine Lichtung, in der Sonnenstrahlen oder Schatten etwas Flüchtiges und Tiefes offenbaren. Es liegt eine stille Auflehnung darin, wie er Klangtexturen verbindet: Wirbelnde Psychedelia der 60er Jahre umschlingt die Kanten von Post-Hardcore, und am Ende entstehen Lieder, die sich jeder Einordnung entziehen und dabei dennoch entwaffnend intim bleiben. Bemerkenswert ist, wie persönlich diese Kompositionen wirken, obwohl sie aus so vielen Einflüssen schöpfen.
Die Kälte des nordischen Winters klingt unter klagenden Pianophrasen nach, doch zugleich sickert Wärme durch subtile Bläserpassagen und jazzige Percussion. Mitunter scheint es, als führe Barják die Zuhörer im Morgengrauen durch die Straßen seines Wahl-Stockholms man hört das Flüstern von Schnee, dann den plötzlichen Aufbruch einer erwachenden Stadt. Jeder Song steht für sich wie eine eigene Jahreszeit: flüchtig, launisch, unausweichlich im Vergehen, aber unvergesslich im Augenblick. Die Tracks entfalten sich mit einer fast filmischen Geduld. Songs wie „Dancing Foam“ branden mit der Eleganz von Wellen auf und ab man spürt Barjáks Hintergrund als Toningenieur in jedem sorgfältig geschichteten Aufbau und jedem bedachten Abfallen.

Die Produktion ist akribisch, wirkt jedoch nie steril; Field Recordings und organische Instrumentierung halten alles lebendig und atmend. In seinen experimentellsten Momenten driftet das Album in fast orchestrale Sphären, Streicher gleiten über flirrende Elektronik hinweg, nur um dann von einem plötzlichen Schwall roher Gitarren eingefangen zu werden. Trotz aller musikalischen Abstecher wirkt ,,Looming Seasons” nie selbstverliebt. Barják balanciert Komplexität mit Melodien, die sich unbemerkt ins Gedächtnis schleichen. Seine Stimme, zart, aber nie zerbrechlich, ist wie ein Anker inmitten der wirbelnden Arrangements. Die Texte schweben zwischen Introspektion und Impressionismus und fügen sich perfekt in die wechselnden Stimmungen der Musik.
Man merkt, dass er nicht einfach nur Songs schreibt er kartiert ein emotionales Terrain, das sich keiner klaren Definition beugt. Wenn die letzten Töne verklingen, bleibt von ,,Looming Seasons” eine leise Nachwirkung zurück – wie der Nachglanz der Dämmerung oder die Stille vor dem Morgengrauen. Es ist der Klang eines Künstlers, der sein Handwerk vollständig beherrscht und doch keine Angst hat, vom Weg abzukommen. Barjáks Debüt ist mehr als ein saisonaler Zyklus; es ist ein lebendiges Zeugnis dafür, wie weit Neugier und persönliche Ehrlichkeit Musik über bekannte Grenzen hinaus tragen können.
SCHRIFTSTELLER: Carl





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