„ORPHAN‘S LAMENT“ von Steel & Velvet
- CARL

- 28. Okt.
- 2 Min. Lesezeit

Mit den kälteren Tagen kehrt auch Wärme, Trauer und Nachdenklichkeit zurück und genau das bringt Steel & Velvet mit ihrem neuen Kunstwerk People Just Float. Der Opener der EP, eine Neuinterpretation von Robbie Bashos „Orphan’s Lament“, legt sofort den emotionalen Grundton für die sechsteilige Reise und den dazugehörigen Kurzfilm fest. In diesem Stück verwandelt die Band Bashos schmerzliche Innenschau in etwas Zeitloses und zutiefst Persönliches ein Übergang zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Verlust und Akzeptanz. Die ersten Töne entfalten sich wie Nebel über einem stillen Wald: Romuald Ballet-Baz’ Gitarrenlinien schimmern in zarter Zerbrechlichkeit, während Johann Le Roux’ Stimme Erinnerungen an einen Schmerz trägt, der zu alt ist, um zu heilen. Seine Darbietung ist ruhig, aber von innerer Wunde durchzogen ohne Pathos, doch voller Gewicht.
Die spärliche Instrumentierung lässt jeden Atemzug, jede Pause widerhallen wie Schritte durch ein leeres Haus. Es ist, als hätte die Band Bashos Klage um verlorene Eltern durch die Linse des Alters neu betrachtet dort, wo Hoffnung nicht mehr hell brennt, sondern nur noch leise in der Dunkelheit glimmt. Diese emotionale Tiefe trägt sich über den Klang hinaus in das Bild. Der begleitende Kurzfilm verwandelt „Orphan’s Lament“ in eine filmische Fabel. Wir begegnen Joshua, einem einsamen Jäger, der durch die Wildnis streift und nicht Beute, sondern eine andere verlorene Seele findet – Hope, bewusstlos neben einem entlaufenen Pferd. Ihre Begegnung bleibt wortlos, aber voller Bedeutung: zwei Wanderer, die in der Einsamkeit einander erkennen. Der Film ist weniger Erzählung als Atmosphäre eine Meditation über Verbindung, die aus Verlorenheit entsteht.

In den gedämpften Farben von Loïc Moyou wirkt jeder Blick, jede Geste, als hielte sie die Zeit an. Steel & Velvet verleihen ihrer Version eine fast spirituelle Schwere, gespeist aus Ehrfurcht und Neuerfindung zugleich. Ihre Entscheidung, ein ursprünglich klavierbasiertes Stück für Gitarre umzuschreiben, war mehr als ein technischer Schritt sie war symbolisch. So schlagen sie eine Brücke zwischen Bashos visionärer Virtuosität und ihrer eigenen Folk-Rock-Identität. Das Ergebnis ist eine Hommage nicht nur an Basho, sondern auch an Mark Lanegan, dessen Einfluss das Projekt deutlich prägt. Es ist eine Linie von Geschichtenerzählern alle suchend, alle gezeichnet und nun reiht sich auch Steel & Velvet in diesen Chor ein.
Am Ende ist „Orphan’s Lament“ weit mehr als ein Cover es ist eine Wiedergeburt. Steel & Velvet tun, was nur echte Künstler vermögen: Sie bewohnen die Trauer eines anderen, bis sie zu ihrer eigenen Sprache wird. Mit einem einzigen Lied beschwören sie den Geist der amerikanischen Wildnis, die Stille des Verlusts und das leise, beharrliche Summen menschlicher Verbundenheit. Es ist ein atemberaubendes Vorspiel zu People Just Float ein Titel, der nach dem Hören weniger wie eine Aussage und mehr wie eine Wahrheit klingt, geflüstert von jenen, die gelernt haben, mit Würde durch den Schmerz zu treiben.
SCHRIFTSTELLER: Carl





Kommentare